Grundfähigkeitsversicherung: Markt in Bewegung

Grundfähigkeitsversicherung: Versicherung, die man abschließt, wenn man keine Berufsunfähigkeitsversicherung mehr bekommt.” So oder ähnlich hätten auch viele Vermittler die Grundfähigkeitsversicherung in den letzten Jahren wohl eher beschrieben. Dabei ist sie keinesfalls die zweite Wahl”, sondern findet immer mehr ihren Platz in der Vermittlung.

Immer mehr Top-Tarife am Markt

Das zeigen auch aktuelle Untersuchungen wie von Morgen und Morgen. Die Anzahl der Grundfähigkeitsversicherungen am Markt hat sich in den letzten Jahren laut einer M&M-Studie aus dem April 2022 deutlich erhöht. Zum Vergleich: Im Jahr 2020 waren 53 Tarife in der Bewertung, ein Jahr später 78 und im Jahr 2022 waren 112 Tarife in der Bewertung. Rund acht von zehn Tarifen schnitten bei der Untersuchung 2022 mit fünf Sternen ab – die Top-Bewertung. 13 Tarife bekamen vier Sterne, lediglich drei Tarife erhielten eine durchschnittliche (drei Sterne), vier eine schwache (zwei Sterne) Bewertung. Die Grundfähigkeitsversicherung gewinnt also an Profil und Bedeutung. Sie kann durchaus als Vorsorgelösung die erste Wahl sein, sofern Vermittler das Produkt richtig einsetzen.

Was genau ist denn mit einer Grundfähigkeitsversicherung abgedeckt?

Die Grundfähigkeitsversicherung schützt den Versicherten für den Fall, dass er eine bestimmte Fähigkeit verliert und nicht mehr im täglichen Leben einsetzen kann. Welche Fähigkeiten eine Police im Einzelnen versichert, hängt vom Tarif ab. Zusammengefasst können das beispielsweise diese Fähigkeiten sein.

  • Sehen
  • Hören
  • Sprechen
  • Gleichgewicht
  • Gebrauch einer Hand
  • Gebrauch eines Arms
  • Heben/Halten/Tragen
  • Schreiben
  • Anwendung von Tastatur/Touchscreen
  • Sitzen
  • Stehen
  • Gehen
  • Bücken
  • Knien
  • Treppensteigen
  • Eigenständig leben (Demenz, Pflegebedürftigkeit)
  • Kommunikation und Denken (Intellekt, Unterhaltung führen)
  • Berufsspezifische Tätigkeiten (Schieben & Ziehen, Riechen & Schmecken, Bildschirmtätigkeit)
  • Mobilität (Verlust der Fahrerlaubnis aus medizinischen Gründen oder Verlust der Fähigkeit, Rad zu fahren oder den ÖPNV zu nutzen)

Dazu lassen sich meist weitere Bausteine buchen, wie etwa der Baustein Psyche, der bestimmte psychische Krankheiten und Beeinträchtigungen absichert. Auch lassen sich je nach Versicherer und Tarif schwere Krankheiten zusätzlich in den Schutz mit aufnehmen oder die Grundfähigkeitsversicherung leistet auf Wunsch auch schon bei längerer Arbeitsunfähigkeit.

Die Grundfähigkeitsversicherung sagt also nicht: Wenn der Kunde seinen Job nicht mehr erledigen kann, dann zahlen wir. Sondern das Leistungsversprechen heißt: Wenn der Kunde eine bestimmte Fähigkeit verliert, dann zahlen wir – und zwar unabhängig davon, ob jemand seinen Job noch ausüben kann oder eben nicht mehr.

Für wen ist die Grundfähigkeitsversicherung eine Option?

Eine Grundfähigkeitsversicherung sichert damit sehr zielgerichtet bestimmte Fähigkeiten ab – und in der Beratung muss der Vermittler herausfinden, was der Kunden überhaupt absichern will. Geht es um den Schutz der Arbeitskraft? Dann muss ich als Vermittler klären, welche Grundfähigkeiten dafür beim Kunden relevant sind. Bei Handwerkern hängt die Arbeitskraft an anderen Merkmalen als bei kaufmännischen Angestellten oder Vertrieblern. Und während der eine kognitive Fähigkeiten im Alltag essentiell braucht, muss ein anderer seine körperliche Kraft oder die psychische Stabilität abgesichert wissen. Hier klopft ein guter Vermittler zusammen mit dem Kunden die versicherbaren Fähigkeiten ab. Trotzdem wird der Schutz selten eine vergleichbare Alternative zur BU-Versicherung sein, weil dafür der Bezug zum zuletzt ausgeübten Beruf fehlt.

Die andere Option: Es geht gar nicht (nur) um eine Absicherung der Arbeitskraft. Dann muss ich als Vermittler herausfinden, was mein Kunde eigentlich sucht. Eine finanzielle Absicherung für den Fall, dass ein eigenständiges Leben schwierig wird? Eine Unterstützung, wenn die körperliche Kraft nachlassen sollte und der Kunde beispielsweise für diesen Fall im Alltag Unterstützung haben möchte? Oder geht es um die Mobilität, deren Verlust dem Kunden im Alltag beeinträchtigen würde? In diesen Fällen wäre die Grundfähigkeitsversicherung vielleicht sogar die bessere Variante, weil der Schutzbereich viel mehr als bei der BU ins Privatleben reicht.

Die Grundfähigkeitsversicherung kann als durchaus eine Option sein, die in ganz unterschiedlichen Lebensbereichen eine finanzielle Unterstützung ermöglicht. Eine Grundfähigkeitsversicherung ist aber deshalb eben keine “BU light”, die man abschließt, wenn gar nichts mehr geht: Sie ist ein eigenständiges Produkt, das die Arbeitskraft teilweise absichern kann – und darüber hinaus noch einiges mehr.

Bedingungswerk (natürlich) entscheidend

Die Leistungsauslöser sind bei der Grundfähigkeitsversicherung sehr eng gefasst – und deutlich konkreter als die Begriffe der “Berufsunfähigkeit” oder “Erwerbsunfähigkeit” in den klassischen Produkten der Arbeitskraftabsicherung. Wirklich wertvoll ist die Grundfähigkeitsversicherung aber nur dann, wenn die Grundfähigkeiten und deren Verlust als Leistungsauslöser ganz klar definiert sind. Wann ist die Grundfähigkeit “Gehen” denn wirklich verloren? Wann kann man nicht mehr knien? Und wann nicht mehr sehen? Je detaillierter die Versicherungsbedingungen die Leistungsauslöser beschreiben und je objektiver sie den Maßstab formulieren, bei den ein versicherter Verlust von Grundfähigkeiten eintritt, umso besser für den Kunden im Leistungsfall.

Hier sind Vermittler gefragt, die die Bedingungswerke kennen müssen und auch die Schwachstellen. Drei Punkte sind hier in der Beratung wichtig – vor allem, wenn die Grundfähigkeitsversicherung die Arbeitskraft schützen soll:

Beschwerden am Bewegungsapparat sind ein Hauptgrund für das Aus im Job: Viele dieser klassischen Beschwerden dürften Grundfähigkeiten wie Sitzen oder Stehen betreffen und mitversichert sein. Aber eben längst nicht alle. Ein Bandscheibenschaden zum Beispiel führt oft zu einer temporären Berufsunfähigkeit, aber gehen dadurch auch versicherte Grundfähigkeiten verloren?

In vielen BU-Fällen kommen verschiedene körperliche Probleme zusammen, die in Summe zur Berufsunfähigkeit führen, die aber keine isolierten Grundfähigkeiten betreffen. Etwa bei chronischen Erkrankungen wie Rheuma: Hier wirken verschiedene Auslöser zusammen, die einzeln und für sich betrachtet keinen Verlust von Grundfähigkeiten nach sich ziehen – in ihrer Gesamtheit aber ein Arbeiten unmöglich machen können.

Der Baustein “Psyche” versichert im Normalfall entweder nur ganz konkrete psychische Leiden oder schließt auch bestimmte psychische Erkrankungen aus.Der Schutz reicht bei der Grundfähigkeitsversicherung nicht so weit wie bei einer klassischen BU.

Grundfähigkeitsversicherung: Ist der Schutz günstiger als die klassische BU?

Viele Kunden sehen die Grundfähigkeitsversicherung vor allem als deutlich günstigere Alternative im Vergleich zur Berufsunfähigkeitsversicherung. Hier gilt: Alles kann, nichts muss. Bei Akademikern und Angestellten mit Bürojobs bringt die Grundfähigkeitsversicherung in der Regel selten finanzielle Vorteile gegenüber einer Berufsunfähigkeitsversicherung. Bei Handwerkern und allgemein bei körperlich Tätigen hingegen kann das ganz anders aussehen. Dann kann die Grundfähigkeitenversicherung aus Preisgründen durchaus als Alternative infrage kommen, wenn klassischer AKS-Schutz zu teuer ist.

Gibt es eine Grundfähigkeitsversicherung ohne Gesundheitsfragen?

Grundfähigkeitsversicherungen gibt es tatsächlich nicht ohne Gesundheitsfragen, auch wenn viele sich das wünschen, die aus gesundheitlichen Gründen keine BU mehr bekommen. Die Fragen sind aber anders formuliert als bei einer klassischen Berufsunfähigkeitsversicherung. Und damit kann es durchaus sein, dass ein Kunde für den Abschluss einer Grundfähigkeitsversicherung infrage kommt, der bei einer Berufsunfähigkeitsversicherung eher keine Chance auf einen Vertrag hätte.

Das Fazit

Die Grundfähigkeitsversicherung hat ihren Platz am Markt gefunden – ein Markt, der immer größer wird und verbesserte Produkte hervorbringt. Der Trend geht dabei zu Bausteinlösungen, die Grundfähigkeiten sehr individuell absichern können. Experten befürchten aber wie bei der Berufsunfähigkeitsversicherung auch einen Bedingungswettbewerb mit immer besseren Tarifen, die dann aber auch deutlich teurer werden als heute.

Titelbild: ©bierwirm/ stock.adobe.com

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Umdenken Redaktion
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