Zwei Jahre Ahrtal: „So etwas habe ich in 20 Jahren nicht erlebt“

14. Juli 2021: Das Ahrtal erlebte ein Jahrhundert-Hochwasser, das wochenlang die Fernsehbildschirme und sozialen Medien in seinem Bann halten sollte. Auch jetzt, mehr als zwei Jahre nach der Flut, ist die Katastrophe noch nicht voll bewältigt. Wie hat die Schadenabwicklung das Ereignis erlebt? Wir haben nachgefragt.

Ein Blick zurück

10. Juli 2021: Das Europäische Flutwarnsystem EFAS warnt die deutschen Behörden vor „Überschwemmungen im Einzugsgebiet des Rheins“. Am 12. Juli stimmt der Deutsche Wetterdienst (DWD) mit ein, schickt Warnungen an die Hochwasserzentralen der Länder heraus. Zwei Tage später, am 14. Juli, warnt der DWD erneut: Diesmal ist auch von Dauer- und Starkregen in weiten Teilen von Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz die Rede. In einigen Ortschaften handelte die Feuerwehr eigenständig, denn offizielle Warnungen oder Alarmsignale gab es nicht – oder nur zu spät.

Am Ende sterben mindestens 185 Menschen durch die Flut. 135 Menschen sind es allein im Ahrtal. „Mindestens“, so schreibt es der WDR, weil ein Mensch aus dem Ahrtal immer noch offiziell als vermisst gilt. Unter dem nachfolgenden Link stellt der WDR eine ausführliche Timeline bereit.

Eine Flut an Schadenfällen

Und wie hat die Schadenabwicklung der Bayerischen die Jahrhundertflut erlebt? Das haben wir bei Kerstin Wagner, Expertin Sach-Haftpflicht-Unfall-Schaden bei der Bayerischen, nachgefragt.

Redaktion: Frau Wagner, welches war für Sie das größte Learning aus der Ahrtal-Flut?

Kerstin Wagner: Ich mache die Schadenbearbeitung schon seit 20 Jahren, aber so eine Flut gab es in der Form noch nie. Das war für uns absolut neu und diese Menge an Neuschäden aufzufangen, stellte für das Unternehmen eine gewaltige Herausforderung dar. Wir mussten uns da auf die Schnelle komplett neu aufstellen. Unser Team hat da definitiv geliefert und das war auch unser größtes Learning.

Redaktion: Wie haben Sie die Wochen nach der Katastrophe erlebt?
Kerstin Wagner
Kerstin Wagner

Kerstin Wagner: Diese Schicksalsschläge, die wir da erlebt haben, die waren neu. Wir hatten Kunden am Telefon, die mit nichts dastanden. Die Flut hat ihnen buchstäblich das Leben unter den Füßen weggerissen, sie hatten keine Kleidung mehr, keine Unterkunft. Das ging auch an uns und unseren Mitarbeitern nicht spurlos vorbei. Eine solche Herausforderung steckt man nicht leicht weg. Es ist auch nicht damit getan – wie es einige Anbieter nach der Katastrophe taten – einfach mit dem Scheck zu wedeln, teils mussten wir auch psychologische Unterstützung anbieten. Man musste für die Menschen da sein.

Redaktion: Wie ist der Status Quo der Schadenabwicklung? Ist die Bayerische „fertig“ mit dem Ahrtal?

Kerstin Wagner: Wir haben einen Großteil aufgearbeitet, aber noch nicht alles. Es gibt da noch Großschäden, da geht es um den Neuaufbau von Häusern. Das hat sich durch ein paar Faktoren sehr verzögert. Zum Beispiel wussten einige Kunden lange nicht, ob sie überhaupt wieder am selben Ort bauen dürfen.

Ein anderer Faktor war, dass viele Kunden Probleme hatten, überhaupt an die Versicherung heranzukommen. Die Hotlines waren fast durchgehend belegt. Von Versichererseite aus hatten wir dann das Problem, Sachverständige zu bekommen. Die waren ebenfalls ausgebucht und mussten teils Gruppenbesichtigungen machen. Das zu koordinieren, war eine Herausforderung für sich.

Und dann wieder gab es Kunden, die waren lange mit dem Aufräumen beschäftigt und hatten daher den Kontakt mit der Versicherung nicht als oberste Priorität.

Redaktion: Davon, den Ort eines Schadensfalls zu verändern, raten Versicherer ja normalerweise ab.

Kerstin Wagner: Es stimmt schon, dass sonst immer kommuniziert wird, dass Kunden nichts verändern sollen, bis der Sachverständige kommt. Hier sind wir jedoch anders vorgegangen und haben den Kunden die Erlaubnis gegeben, selbst loszulegen. Es ging zum Beispiel auch darum, Decken oder Einbauen zu entfernen, wo größere Schäden entstanden wären. Kunden mitzuteilen, was genau sie tun dürfen und was nicht, war ebenfalls keine simple Angelegenheit.

Redaktion: Aber die Kunden hatten die richtige Abdeckung?

Kerstin Wagner: Größtenteils hatten sie die, ja. Es war nur eine geringe Anzahl, die da keinen Versicherungsschutz hatte.

Redaktion: Wann hat die Bayerische die „Causa Ahrtal“ komplett abgeschlossen?

Kerstin Wagner: Ich denke, dass wir die letzten Fälle dieses Jahr noch abwickeln werden.

Redaktion: Wie zukunftssicher ist die Bayerische hinsichtlich solcher Naturkatastrophen?

Kerstin Wagner: Wir wissen zwar jetzt,  dass – und wie – wir reagieren können, falls es zum Ernstfall kommt. Natürlich bleibt so etwas trotzdem eine Herausforderung. Kein Unternehmen ist derartig ausgestattet, um problemlos mit Katastrophen fertig zu werden. Man kann dann aus den anderen Bereichen Mitarbeiter ziehen, um den großen Ansturm abzufedern. Abschließend haben wir dieses Ereignis trotz allem gut gemeistert, das haben wir auch von vielen Externen wieder und wieder gehört.

Wie liefen die ersten Wochen nach dem Ahrtal ab? Versicherungsmaklerin Kim Hahn hat damals live miterlebt, was passiert ist. Ihre Erlebnisse hat sie hier auf dem Umdenken-Blog mitgeteilt.

Titelbild: © Imaginis/stock.adobe.com

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Autor

NewFinance Redaktion
NewFinance Redaktionhttps://www.newfinance.de
Hier bloggt die Redaktion von NewFinance.today zu allgemeinen und speziellen Themen rund um Versicherung, Finanzen und Vorsorge aber auch zu Unternehmensthemen der Bayerischen. Wir wünschen eine spannende und interessante Lektüre!

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