Martin Gräfer: “Versicherungsberater zählen zur Instanz des Vertrauens”

#fredwagner fragt. #martingräfer antwortet.

Martin Gräfer, Vorstand der Bayerischen, war bei InsuranceTV, einem WebTV- Portal in der Assekuranz, zu Gast. Das Thema: Vermittlungsvergütung im Versicherungsbetrieb und Beratungsqualität.

Der Vertrieb hat in der Bevölkerung und speziell beim Verbraucherschutz ein schlechtes Ansehen – warum eigentlich?

Martin Gräfer: Verkäufer werden generell erstmal kritisch betrachtet. Ich meine mich zu erinnern, dass auch vor 30 Jahren der Beruf des „Versicherungsvermittlers“ bei Umfragen noch nicht der begehrenswerteste Beruf war. Der persönliche Versicherungsberater, der einen betreut, zählt jedoch neben dem Arzt und Priester zur „Instanz des Vertrauens“. Mein Blick auf das Ganze ist daher eher differenziert. Ich glaube, man kann und muss durchaus noch viele Dinge besser machen – die meisten Menschen sind jedoch hochzufrieden mit der Beratung, die sie persönlich in Anspruch nehmen.

Seit Jahren hält sich die Annahme, dass die Abschlussprovisionen zu Fehlanreizen führen und Vermittler lediglich das schnelle Geschäft suchen würden. Wie stehen Sie zu diesen Aussagen, Herr Gräfer?

Martin Gräfer: Der Motor für Fehlanreize ist nicht die Abschlussprovision, sondern die mangelnde Beraterqualifikation und aggressive Organisationssteuerung der Unternehmen – sprich wenn über eine längere Dauer der Verkaufserfolg über der Kundenzufriedenheit steht. Hier lohnt sich auch durchaus ein vergleichender Blick in andere Branchen. Gerade beim Thema Telekommunikationsverträge stelle ich fest, dass es immer öfter schlechte Beratung gibt. Zum Beispiel wird oft gar nicht hinterfragt, ob der Kunde sich ein bestimmtes Handy oder einen speziellen Vertrag überhaupt leisten kann. Diese Vorgänge werden weder protokolliert noch dokumentiert – es gibt in diesem Bereich anders als in der Versicherungsbranche keine Reglementierung.

Verstehen Sie mich nicht falsch, das wünsche ich mir auch gar nicht. Ich wünsche mir in dieser Frage jedoch ein bisschen mehr Angemessenheit und Proportionalität. Die Entlohnung über den Vertriebserfolg ist und bleibt ein wichtiger Teil unseres Wirtschaftssystems.

Es gibt aber auch in Ihrer Branche immer wieder schwarze Schafe, die durch schlechte Beratung auffallen.

Martin Gräfer: Menschen, die ihren Job nicht gut machen, finden sich leider in jeder Branche. Die Qualität der Beratung hat sich auf jeden Fall deutlich verbessert – das sieht man auch an den Ombudsmann-Beschwerden oder Beschwerden bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Diese sind, obwohl die Anzahl der Verträge gestiegen ist, eher gesunken. Es ist auf der anderen Seite schon so, dass einzelne Verbraucher bei ihren Beratungen ein gewisses Unsicherheitsgefühl erfahren können. Diese Situation wird man auch nie vollständig beheben können. In diesem Punkt bleibe ich dabei: Gute Beratung wird nicht an der Vergütung gemessen, sondern an der Qualifikation des Beraters und letztlich der Art und Weise, wie er auf den Kunden eingeht.

Hat die Versicherungsbranche ein Problem mit Provisionen?

Martin Gräfer: Dazu möchte ich nochmal ganz klar sagen: Die Art der Vergütung hat keinen Einfluss auf die Qualität der Beratung. Ein Honorarberater bietet nicht zwangsläufig bessere Qualität, nur weil er ein Honorar verlangt und ein Versicherungsmakler oder ein Exklusivvermittler nicht zwangsläufig schlechtere Qualität, weil er eine Abschlusscourtage erhält. Es gibt in Deutschland auch aktuell sehr wenige reinrassige Honorarberater. Hier bin ich froh, dass das neue Regelwerk IDD weiterhin beide Entgeltvarianten vorsieht, sprich Courtage als auch Honorar. Ich glaube, dass Transparenz dem Kunden gegenüber viel bringt.

Warum sträubt sich die Branche so vehement, die Abschlussprovision einfach abzuschaffen und komplett auf Bestandsprovision umzustellen?

Martin Gräfer: Weil es für eine solche Regelung schlichtweg keine Notwendigkeit gibt. Die Bayerische bietet seit 30 Jahren in der Lebensversicherung „echte“ Honorartarife an – viele Häuser machen das ganz ähnlich. Seit Kurzem ist es dem Makler und auch dem Kunden möglich, unterschiedliche Vergütungsmodelle zu wählen.

Natürlich gibt es Chancen für Fehlanreize. Es gibt daher auch einzelne Häuser, die Erfolgsvariablen an qualitative Vergütungsmomente anknüpfen. Wir haben heute eine vollkommen andere Rekrutierung in die Branche hinein als noch vor 30 Jahren sowie andere Weiterbildungs- und Qualifikationsmaßnahmen. Es ist auch so, dass die Abschlussprovision nicht nur für den Moment der Vermittlung gedacht ist. Die Abschlussprovision in der Lebens- oder Krankenversicherung läuft über teilweise fünf, acht oder auch zehn Jahre durch die festgelegten Provisionshaftungszeiträume. Der Vermittler ist also sehr wohl außerordentlich daran interessiert, im Interesse seines Kunden zu beraten, will er nicht Stornos in Kauf nehmen, die ihn dann wirtschaftlich sehr treffen können.

Wenn der Vertrag für so eine lange Zeit gedacht ist, warum stellt die Branche/Ihr Haus nicht ganz klar substanziell von Abschluss- auf Bestandsprovision um?

Martin Gräfer: Meiner Meinung nach gehen Sie von einer völlig falschen These aus: „Die Branche soll umstellen.“ Das weckt durchaus das Empfinden, als müsse man eine Branche komplett regulieren. Unser Haus bietet bereits sowohl gezillmerte, als auch ungezillmerte Lebensversicherungen sowie Honorartarife an. Es wird also die Breite der Möglichkeiten geboten – die Wahl welche Vergütung genutzt wird, können Kunden und Berater sehr gut selbst treffen.

Warum begrenzen Sie die Stornohaftungszeit der Vermittler? Man könnte ja auch eine Abschlussprovision lassen und die Stornohaftungszeit über die gesamte Vertragslaufzeit ziehen.

Martin Gräfer: Das ist weder ökonomisch sinnvoll noch notwendig. Der Berater hat einen ganz erheblichen Aufwand gerade zum Einstieg in eine Beratung – auch in anderen Berufsbildern ist das ähnlich. Juristen berechnen ihre Vergütung zum Beispiel nach dem Wert des Rechtsstreites. Man hat heute schon sehr lange Haftungszeiten und in diesen wird die Qualität der Beratung mitgetragen. Die Beratung endet ja nicht mit der Unterschrift unter dem Vertrag, sondern geht weit darüber hinaus. Das zeigt, dass das Vergütungsgesamtkonstrukt sehr ausgeglichen ist.

Stichwort „Lebensversicherungsreformgesetz“. Die Branche erfüllt den „Geist“ dieses Gesetzes nicht, wenn es zum Beispiel um die Reduzierung der Abschlussprovision/ Abschlusskosten geht. Die Branche kennt auch viele erfinderische Möglichkeiten, um solche Regularien zu umgehen (zum Beispiel Kostenverrechnungen).

Martin Gräfer: Es ist schwierig, von der Branche im Allgemeinen sprechen, da sie sehr unterschiedlich agiert. Es gibt eine aktuelle Umfrage der BaFin, die bei einzelnen Unternehmen und dem Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft GDV nachfragt: „Wie hat sich das Ganze denn entwickelt?“  Das Ergebnis bleibt abzuwarten. Allein die Tatsache der Verlängerung von Provisionshaftungszeit ist ökonomisiert eine erhebliche Reduktion. Die Bayerische hat so wie viele andere Marktteilnehmer auch, eine spürbare Vergütungsreduktion vorgenommen. Der Kunde hat sofort deutlich weniger eingerechnete Kosten. Im Übrigen haben auch die Beraterinnen und Berater sofort erst einmal weniger Geld in der Tasche.

Weiterhin ist der Qualitätsfokus in der Branche viel größer geworden als in der Vergangenheit – denn zu vergüten ist zugegeben ein schwieriges Unterfangen, aber es gehört eben auch dazu. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es eine gute Evolution in der Branche gibt und zwar im Verbraucher-Interesse.

Was halten Sie von der Forderung von Verbraucherschützern, die provisionsorientierte Beratung abzuschaffen?

Martin Gräfer: Ich sehe an dieser Stelle keine regulatorische Notwendigkeit, noch weiter Einfluss zu nehmen. Der Verbraucher sollte jedoch wählen können – und in die Lage versetzt werden, diese Wahl auch tatsächlich treffen zu können. Dazu benötigt der Verbraucher entweder eine eigene Ausbildung, die schon gern in der Schule beginnen kann oder aber einen kompetenten Berater, der wiederum selbst die Wahl hat. Auch ein Makler ist in der Lage, dem Kunden eine Honorarrechnung zu stellen und ich kenne immer mehr Makler, die das auch tun und den Kunden dieses Angebot machen.

Ich denke, dass Versicherung über Provision durchaus gelebter Verbraucherschutz ist, weil er sehr vielen Verbrauchern die Beratung offen hält, die sie sich sonst eher nicht leisten würden oder könnten.

Wenn Sie einen Wunsch frei hätten wie in Zukunft die Vermittlervergütung branchenweit gestaltet sein sollte, wie würde das aussehen?

Martin Gräfer: Ich glaube, dass der Verbraucher im Fokus stehen muss und nicht die Frage der Vergütung. Ich wünsche mir ein Nebeneinander von Versicherungs- und Provisionsberatung, allerdings ohne Priorisierung auf einen Beraterweg.

Zum ausführlichen Interview mit Video geht’s hier.

Titelbild: © die Bayerische

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Autor

NewFinance Redaktion
NewFinance Redaktionhttps://www.newfinance.de
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Kommentare

  1. Einige Bemerkungen eines alten Hasen: Die Provisionsberatung wurde erst Anfang der siebziger Jahre von den Versicherern eingeführt, da sie günstiger war und kurzfristige Kündigungen ermöglichte. Jeder Vertrag kann kritisiert werden: Zu hoch, zu niedrig, zu lange oder zu kurze Laufzeit, nicht Bedarfsgerecht, das falsche Produkt zu wenig Rendite oder zu wenig Sicherheit. Mein Argument dagegen: Ich habe immer gefordert, der Verbraucherschutz muss bei allen Tests immer eine, aus Ihrer Sicht, ideale Absicherung definieren (LV-Renten Vers). Solange er dies nicht anbietet kann er jederzeit, wie auch jede Konkurrenz jedes verkaufte Produkt in Frage stellen. Aus sozusagen neutraler Position und mit großer medialer Unterstützung verfügt er immer über die Meinungshoheit. Was macht ein 60 jähriger Vermittler mit einer 30 jährigen Bestandsprovision-muss er dann die Agentur aufrechterhalten wenn er diese nicht verkaufen möchte. Die Haftung, übrigens nicht bei Honorarberatern, für das Beste Produkt und bis zu 10 Jahren ist wohl im Vertrieb einmalig und bietet dem Kunden wesentlich mehr Schutz vor Falschberatung als eine oberflächliche und oft unqualifizierte Stellungnahme des Verbraucherschutzes. Ich habe die Honorarberater in diversen Zeitschriften sehr hart attackiert, woraufhin Hr. Dieter Rauch (Verband der Honorarberater)mich direkt kontaktierte und sich über meine Argumente beschwerte. Letzthin mir aber bestätigte das Honorarberatung per se nicht günstiger sei. Weshalb dann aber Honorarberatung besser sein sollte, konnte er mir dann aber auch nicht schlüssig erklären.
    Wie ein Honorarberater in einer Stunde den ganzen Komplex mit Datenerfassung, persönlichen Absicherungspräferenzen, Marktrecherche des besten Tarifs in der Wohngebäude Versicherung, schaffen kann, ist mir ein Rätsel. Der Makler ist auch bei Gesetzesänderungen (Tarifanpassungen) und Schäden immer präsent. Wenn man jetzt noch die Kosten des Büros, des Fuhrparks, der Weiterbildung und der eigenen Altersabsicherung mit einkalkuliert und vor allem mit einer 30 jährigen Pension eine leicht überdurchschnittlichen Beamten vergleicht und dann noch mehr als 505 der Vermittler die weniger als der Innendienst verdient, sollte die Argumentation für jedermann verständlich sein.
    Weshalb gibt es so wenig Versicherungsberater, wohl weil der Markt diese nicht akzeptiert.
    Bei einer Beschwerdequote von 0,03% wäre wohl jeder Beruf in Deutschland sehr stolz.
    Übriges habe ich Anfang März viele Pools und Versicherungszeitschriften bzw. den BVK angeschrieben und auf die Möglichkeiten Bundestagsabgeordnete-und zwar alle in jedem Wahlkreis, wegen der IDD Umsetzung zu informieren. Am nächsten Tag hat BCA das an die Presse und seine Mitglieder als eigene Idee kolportiert, alles nachweisbar.
    Diese Idee hatte ich im Januar 2017 wegen der Bargeldabschaffung erstmal an alle Parteien gesandt.
    (Wer dafür abstimmt wird nicht gewählt!)
    Im Investment Heft Juli 2017 wird ein Zusammenhang mit vielen direkten Kontakten von Vermittlern zu Ihren Abgeordneten und das Umschwenken von der ursprünglichen Fassung erwähnt.

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