Vom Regen in die Traufe: Ein Rückblick auf die Flutkatastrophe im Sommer 2021

Im ersten Teil des Interviews berichtet Kim Hahn, Inhaberin Inhaberin Leo Forsbeck, über die ersten Tage nach der Flut. Als Anwohnerin und jemand, der helfen wollte. Seinen Liebsten, aber auch den eigenen Kunden. In diesem, zweiten Teil des Interviews wirft sie einen Blick auf den zukünftigen Umgang mit Elementarschäden.

Redaktion: Wie reibungslos verlief die Meldung der Schadenfälle an die Versicherer?

Kim Hahn: Nachdem ich meine Schäden und Kunden nach und nach sortiert habe, dachte ich „Feuer frei“. Ich hatte so viele Fragen: Was passierte jetzt, wenn die Kunden ihre Schäden nicht dokumentieren konnten? Die Bundeswehr ging durch die Häuser und hatte den Unrat wegen der Ungeziefer entsorgt. Wie sollten wir da jemals unserer Beweispflicht nachkommen? Ich hatte Strom durch das Aggregat und somit auch Handy-Akku. Aber es wäre mir gar nicht möglich, jetzt zu allen Schäden zu fahren und das zu dokumentieren. Was ist mit den Häusern, die einsturzgefährdet sind? Was passiert mit den hunderten Autos, die von der Flut mitgerissen worden waren? Ich wünschte mir fixe Zusagen.

Kunden brauchen in solchen Situationen kein Geld, sondern Sicherheit und Antworten.

Wir setzten uns an die Schadenhotlines und wollten so schnell wie möglich unsere Schäden melden. Aus „Feuer frei“ wurde aber erstmal mindestens 30 Minuten Warteschleife. Einige Versicherer schalteten sogar ihre Anlagen aus. Eine Erreichbarkeit war teils eine Woche nicht möglich – unfassbar. Wenn ich einen Versicherer am Telefon hatte, gab es keine klaren Aussagen. Der Satz der Sätze „Das Bedingungswerk ist klar gesetzt und definiert, der Kunde hat die Beweispflicht“. Nachdem ich diesen Satz das achte Mal in Folge gehört hatte, deprimierte mich meine Arbeit das erste Mal in meinem Leben. Sollte das so sein, dass die Versicherer ohne Verstand und Sinn diese Schäden einfach auflaufen lassen wollen? Sollte es so sein, dass meine Branche wirklich so schlecht ist, wie immer gesagt wird? Und was war mit meinem Versprechen?

Redaktion: Würdest Du jetzt, rund ein Jahr später, ein anderes Resümee hierzu ziehen, als unmittelbar danach?

Kim Hahn: Heute, ein Jahr später sehe ich das Problem immer noch so. Bei vielen großen Konzernen sitzen Menschen, die keine Ahnung haben, was hier draußen passiert. Menschen, die nicht mehr dazu in der Lage sind, maßgeschneiderte Lösungen für solche Katastrophen zu suchen, und absolut unflexibel sind. Und ja, oft fehlt es auch an Herz und Mitgefühl. Ich muss mir auch klar eingestehen, ich war zu ungeduldig. Ich war fest davon ausgegangen, dass die Versicherer in der Zeit, in der ich nichts tun konnte, sich schon besser aufgestellt hatten. Ich frage mich bis heute noch, ob das zu viel verlangt war.

Ich habe verdammt viel dazu gelernt und bin sehr dankbar für die Erfahrung. Alleine in der dieser Zeit habe ich deutlich gemerkt, auf welchen Versicherer verlass war.

Überfordert waren alle gleichermaßen hoch. Welcher Versicherer aber dennoch „bei mir“ waren und immer versucht haben, eine Lösung auf dem Kunden-Dienstweg zu finden, das sind die Versicherer, mit denen man weiter arbeiten sollte. Jeder war hoch belastet, jeder hatte 100 Baustellen. Trotzdem merkte man, welcher Versicherer immer noch hochnäsig durch diese Flut ging.

Redaktion: Was hat sich durch die Flutkatastrophe im Versicherungskontext geändert? Sowohl auf Kunden, als auch auf Versicherer-Seite? Welche würdest Du Dir noch wünschen?

Kim Hahn: Es hat sich viel verändert. Mit einigen Versicherern bin ich noch näher zusammen gerückt. Andere bekommen seit dem Tag der Flut kein Geschäft mehr. Circa drei Monate nach der Flut bat ich den Versicherern, die wirklich richtig schlecht in der Zeit aufgestellt gewesen waren, ein persönliches Gespräch an. Vier Versicherer fielen mir besonders negativ auf und bevor ich meinen Bestand umdecke, wollte ich mit dem Versicherer sprechen.

Ich dachte: „Vielleicht wollten die Versicherer etwas ändern.“ Man wollte nicht mit mir sprechen, kein Feedback einholen und war der Meinung „Bei uns läuft alles perfekt“.

Wenn aber für einen Versicherer „perfekt“ ist, einen Schaden in Höhe von 40.000 Euro mit einem Scheck von 15.000 EUR abzuspeisen, entspricht das nicht meiner Vorstellung von perfekt. Auffällig sind hier vor allem die ganz großen Konzerne, die zwar einen guten Namen haben, aber mehr auch nicht.

Redaktion: Gibt es hierzu – für Dich – besonders schockierende Erkenntnisse?

Kim Hahn: Schade finde ich, dass den Menschen nach der Flut kaum Chancen zur Versicherbarkeit der Elementarschäden ermöglicht wird. Wir haben unendlich viele Anfragen von Neukunden, welche nun ihre Versicherungen aufräumen wollen. Dazu gehört auch der Abschluss der Elementarschadenversicherung. Nach meinem Stand sind es heute vier Versicherer, die trotz Vorschaden noch solch eine Klausel anbieten. Liebe Versicherer, hier ist umdenken angesagt.

Erschrocken bin ich über die Einsicht in Fremdpolicen. Liebe Versicherer, was sollen eure Klauseln und Unterklauseln in der Elementarschadenversicherung? Überflutung des Grundstücks, Überschwemmung des Grundstücks und was ist nochmal Starkregen und wie wird der definiert? Warum sind Schaden nur im EG versichert und der Keller ist ausgeschlossen? Wie kann man Kunden sagen: „Sie wohnen im zweiten OG, da brauchen Sie keine Elementarschädenklausel.“? Ich könnte ein Buch schreiben.

Redaktion: Was kannst Du dem ganzen rückblickend positiv abgewinnen?

Kim Hahn: Positiv sehe ich vor allem die Zusammenarbeit mit meinen Kunden und der Gewissheit, dass mein Team das beste Team der Welt ist. Es war eine verständnisvolle und gute Zeit, die auch meinen Kunden und mich zu einem Team machen. Das Radler auf dem Bürgersteig, die vielen netten Worte. Die Veränderung sehen, sich freuen, dass es weiter geht. Ich bin stolz auf meinen Maklerverbund, die CHARTA. CHARTA unterstützte mich mit allen Mitteln und Wegen, Kollegen wurden zu Freunden. Die Hilfsbereitschaft war enorm und rührt mich heute immer noch. Ohne diesen starken Rückhalt meines Verbundes hätte ich schon längst aufgegeben. Es hat mir gezeigt, wie wichtig ein Verbund ist und wir „zusammen groß“ sind. Das macht mein Herz richtig warm und erfüllt. Zu wissen, ich habe nicht umsonst gekämpft. Alle Strapazen, alle Tränen, alles war es wert, um heute wieder genau hier zu sein.

Als unabhängige Versicherungsmaklerin muss ich neutral bleiben. Ich möchte aber hier mal drei Versicherer trotzdem nennen, welche einfach eine wahnsinnig tolle Arbeit gemacht haben und mir gezeigt haben, dass ein Wort noch ein Wort sein kann.

Die Bayerische, für mich der beste Versicherer während der Flut. Danke, dass ein Wort ein Wort ist und Absprachen nicht nur Gerede sind, sondern Fakten, auf die man sich zu 100 Prozent verlassen kann. Ich bin auf unsere Zusammenarbeit sehr stolz und danke allen, die mich so tatkräftig unterstützt haben.

Ein großes Danke geht auch an die Itzehoer, wo wir einen Großteil unseres Kfz-Bestands haben. So eine Schadenabwicklung, direkt, fair und schnell habe ich noch nie erlebt. Zuletzt möchte ich noch die Basler erwähnen, die wirklich schnell handelte und ein sehr gutes Aufgebot in Gutachtern und Schadenregulierern hatte. Ehrlich, fair – vielen Dank!

Redaktion: Wie geht es Dir nach rund einem Jahr?

Kim Hahn: Heute schwillt mir jeden Tag aufs neue die Brust vor Stolz. Meine Stadt wird nach und nach wieder aufgebaut. Meine ersten Kunden können wieder in Ihre Häuser einziehen. Es kamen an Ostern die ersten Bilder von Familien, welche das Fest zusammen feiern konnten – in einer Küche, mit einem Braten auf dem Tisch. Es gibt noch viel zu tun, aber ich feiere jeden kleinen Schritt aufs neue.

Ich habe mich ein zweites Mal in meinen Beruf verliebt, das hört sich komisch an, ich weiß. Aber die Flut hat mir das erste Mal richtig gezeigt, wie wichtig unser Job ist. Wie wichtig eine gute Beratung ist, wie wichtig es ist, Mensch zu sein.

Ich bin dankbar für diese Zeit, dankbar, dass meine Lieben, meine Familie und Freunde unversehrt davon gekommen sind. Dankbar für die Erfahrungen, die ich mit meinem 36 Jahren machen durfte. Dankbar für einen Stand Null, wieder auf den Boden zukommen und einfache Dinge mehr zu schätzen wissen. Dankbar für mein Team, die Menschen um mich herum ohne die das alles so nicht machbar gewesen wäre.

Redaktion: Und wie geht es Deinen Kunden? Hast Du das Gefühl, die Ereignisse sind noch präsent – auch außerhalb der betroffenen Gegend?

Kim Hahn: Meine Kunden und die Menschen, die hier in der Flut viel verloren haben, geht es besser. Trotzdem darf man die starke Belastung weiterhin nicht unterschätzen. Das Rauschen im Ohr, die Todesangst in der Nacht der Flut. Alles Dinge die noch viel Zeit brauchen, um wirklich damit klar zu kommen.

Die Flut hat mich gezeichnet, und nicht nur mich. Wir werden alle Jahre brauchen, um psychisch, physisch und mental wieder 100 Prozent dort zu sein, wo wir mal waren. Dennoch, das sind genau die Momente, die das Leben lebenswert machen!

Titelbild: © Kim Hahn

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Umdenken Redaktion
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