Norman Wirth zu IDD: “Es bleibt weiterhin spannend.”

Die neue IDD-Richtlinie (Insurance Distribution Directive) weist einige Eigenheiten auf, die direkt auf spezifisch deutsche Probleme zurückzuführen sind. Und in ihrer Ausgestaltung wird sie nicht so bleiben, wie sie jetzt im Februar 2018 in Kraft tritt. Die Redaktion hat mit Rechtsanwalt Norman Wirth über Eigenheiten und weitere Änderungen gesprochen.

Was sind die deutschen Eigenheiten, die nicht aus der EU-Richtlinie selbst stammen?

Norman Wirth: Da gibt es sicherlich einige. Denn mit der IDD-Umsetzung wurde versucht, gleich noch diverse andere strittige Themen, die in den letzten zehn Jahren in Deutschland aufgelaufen sind, zu klären. Eines davon ist das Provisionsabgabeverbot. Dieses Verbot existiert seit nahezu 100 Jahren. Es wurde aber zuletzt von Gerichten für rechtswidrig erklärt und abgeschafft. Nun ist es mit dem IDD-Umsetzungsgesetz wieder auferstanden. Es ist jetzt im Versicherungsaufsichtsgesetz und der Gewerbeordnung wiederzufinden.

Die neue Bestimmung, die grundsätzlich verbietet, Zuwendungen an Versicherungskunden weiter zu geben, hat bemerkenswerte Ausnahmen. Neben einer Bagatellgrenze von 15 Euro je Kunde, Vertrag und Jahr heißt es, dass das Provisionsabgabeverbot keine Anwendung findet, soweit die Zahlung an den Kunden zur “dauerhaften Leistungserhöhung oder Prämienreduzierung des vermittelten Vertrages” verwendet wird. Jede Zahlung einer Versicherung oder eines Versicherungsvermittlers an den Kunden kann damit zumindest indirekt zur Prämienreduzierung führen.

“Die neue Bestimmung zum Provisionsabgabeverbot hat bemerkenswerte Ausnahmen.”

Die Diskussion zu diesem Thema ist eröffnet. denn die BaFin vertritt die Meinung, dass eine solche Prämienreduzierung allein direkt im Vertrag, also auch nur unter Mitwirkung des jeweiligen Versicherungsunternehmens erfolgen darf. Eine Begründung dafür gibt das Gesetz nicht her und lässt die BaFin auch vermissen. Es besteht daher zu diesem Thema eine erhebliche Rechtsunsicherheit. Insofern empfiehlt sich aktuell keinesfalls, gegen das Verbot zu verstoßen.

Welche weiteren Änderungen stehen noch an?

Norman Wirth: Viele Details sind mit dem bereits verabschiedeten Gesetz noch nicht geregelt. Diese folgen erst in den kommenden Monaten. Es wird Änderungen in der Versicherungsvermittler-Verordnung geben. Es ist  ein neues „Vermittlerrundschreiben“ der BaFin geplant. Darüber hinaus wird es eine geänderte VVG-Info-Verordnung geben. Und weitere sogenannte delegierte Rechtsakte der EU.

Es bleibt weiterhin spannend und vor allem zu hoffen, dass die Regulierungswellen allmählich abebben.

Die nun amtlichen 15 Pflichtstunden jährliche Weiterbildung werden ebenso konkretisiert wie die verschärften Aufklärungs- und Beratungspflichten bei der Vermittlung von Versicherungsanlageprodukten, sprich fondsgebundenen Versicherungsprodukten. Und auch zur Onlinevermittlung soll es weitere Regelungen geben.

Es bleibt weiterhin spannend und vor allem zu hoffen, dass die Regulierungswellen allmählich abebben. Der Fokus kann dann wieder auf dem Fakt liegen: Nur mit guten Partnern, gut informiert und gut unterstützt sind die kommenden Änderungen zu bewältigen.

Werden bestimmte Absatzkanäle durch IDD bevor- und oder benachteiligt?

Norman Wirth: Positiv ist, dass es im Online-Vertrieb jetzt ein Level Playing Field, ein Spiel auf Augenhöhe, gibt. Das heißt, es gibt nicht mehr die Ausnahme von der Beratungspflicht nur für den Direktvertrieb. Anderseits wird der Onlinevertrieb nicht über Gebühr erschwert. Der Beratungsverzicht wurde dahingehend erleichtert, dass er jetzt auch in Textform – z.B. per Mail – erfolgen kann – also ohne Unterschrift.

“Die Ausnahme von der Beratungspflicht gibt es jetzt auch für den Online-Vertrieb.”

Eine Ausnahme und damit ein nicht unerheblicher Vorteil wurde für Annexvertriebe (z.B. Reisebüros, Autohändler, Brillenverkäufer, Elektronikketten etc.) eingefügt. Das ist aber auch nachvollziehbar, da es hier um sehr schlichte Versicherungsprodukte geht. Eine Vielzahl von Pflichten von Versicherungsvermittlern gelten für diese Annexvermittler nicht.

Welche Vorteile beziehungsweise Nachteile hat IDD für private und gewerbliche Kunden?

Dr. Norman Wirth: Die großen Überschriften bei der Erarbeitung der IDD und der Umsetzung in den einzelnen Staaten der EU waren Verbraucherschutz, Transparenz und Harmonisierung. Meine persönliche Bilanz – nach mehreren Jahren aktiver Befassung mit dem Thema – fällt da äußerst gemischt aus.

“Mit IDD kommt nur noch mehr Papier dazu.”

Wenn ich versuche das Ergebnis dieses großen Projektes mit Abstand und aus Kundensicht zu sehen, sehe ich erst einmal nur noch mehr Informationen. Ich würde es Informations-Overkill nennen. Mit IDD kommt nur noch mehr Papier dazu. Hier haben wir eine große Aufgabe für die zukünftige Regierung und das neue Parlament. Es muss endlich wieder wirklich transparent und weniger bürokratisch werden.

Zur Person:

Norman Wirth ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Versicherungsrecht sowie Vorstand des AfW – Bundesverbands Finanzdienstleistung e.V. Außerdem war er unter anderem  Sachverständiger im  Deutschen Bundestag zum Honoraranlageberatungsgesetz, zum Lebensversicherungsreformgesetz (LVRG) und zum IDD-Umsetzungsgesetz.

Teil 1 des Interviews verpasst? Hier geht es zurück.

Titelbild: © Kanzlei Wirth

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NewFinance Redaktion
NewFinance Redaktionhttps://www.newfinance.de
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