Norman Wirth zu IDD: “Das Schlimmste wurde verhindert.”

Die neue IDD-Richtlinie (Insurance Distribution Directive) in ihrer nationalen Ausprägung wird mit gemischten Gefühlen aufgenommen. Es geht um das Provisionsabgabeverbot, die Umstellung auf Honorarbezahlung, die Dokumentation der Beratung. Viel wurde diskutiert, einiges verworfen. Manches aber kommt, unaufhaltsam und recht schnell. Denn schon ab Ende Februar 2018 muss der Versicherungsvertrieb sowohl in den Unternehmen als auch draußen fit für die neuen Gesetzesvorgaben sein. Die Redaktion hat mit Rechtsanwalt Norman Wirth über das durchaus komplexe Thema gesprochen.

In der Wahrnehmung der Makler ist das neue Gesetz zur IDD ein Damokles-Schwert. Aufoktroyiertes EU-Recht, schlecht von der Bundesregierung in nationales Recht überführt. Teilen Sie diese Meinung?

Norman Wirth: Diese Wahrnehmung ist nachvollziehbar, entspricht aber nicht den tatsächlichen Abläufen. Gerade Deutschland hat versucht, in Brüssel das Schlimmste zu verhindern. Dass wir kein Provisionsverbot bekommen haben, ist in erster Linie der deutschen Verhandlungsführung in Brüssel zu verdanken.

Bei der nationalen Umsetzung wurde es anschließend etwas hektisch. Und auf jemanden, der sich mit dem sehr spezifischen Ablauf im Gesetzgebungsprozess nicht auskennt, konnte es verwirrend  bis beängstigend wirken.

“Zum Teil war der Gesetzesentwurf von der Ministerialbürokratie auch unter dem Einfluss der vermeintlichen Verbraucherschützer und dogmatischen Honorarberater erarbeitet.”

Der ursprüngliche Gesetzesentwurf war abgestimmt zwischen den drei Ministerien für Verbraucherschutz und Justiz, Wirtschaft sowie Finanzen und in sich nicht konsistent. Jedes Ministerium hatte seine eigenen, jeweils sehr abweichenden, Partikularinteressen in den Entwurf eingearbeitet. Dieser ging weit über den Inhalt der IDD-Richtlinie hinaus. Extrem zum Nachteil der Makler. Zum Teil war der Gesetzesentwurf von der Ministerialbürokratie auch unter dem Einfluss der vermeintlichen Verbraucherschützer und dogmatischen Honorarberater erarbeitet.

Mit diesem ganzen Prozess hatte aber der eigentliche Gesetzgeber – die Bundestagsabgeordneten – nichts zu tun. Mit etwas Abstand betrachtet haben wir es hier trotzem mit einem ganz normalen Gesetzgebungsverfahren innerhalb einer funktionierenden Parlamentsdemokratie zu tun. Das Prinzip von „Checks and Balances“ hat sich wieder bewährt.

Was wird sich für den Makler tatsächlich ändern und was ist für ihn tatsächlich relevant?

Norman Wirth: Ich kann hier nicht alles nennen, das würde den Rahmen sprengen. Aber wesentlich ist sicherlich, dass Paragraf 34d Gewerbeordnung künftig zwei Erlaubnistatbestände enthalten wird: Zum einen die Erlaubnis für Versicherungsvermittler (Absatz 1), zum anderen für den Versicherungsberater (Absatz 2), bisher der § 34 e Gewerbeordnung ist. Beide Erlaubnisse schließen sich gegenseitig aus.

In § 34d Absatz 1 Satz 4 GewO wird der Begriff der Versicherungsvermittlung konkretisiert. Die Tätigkeit als Versicherungsvermittler umfasst danach auch unter anderem das Mitwirken bei der Verwaltung und Erfüllung von Versicherungsverträgen, insbesondere im Schadenfall.

Damit greift der Gesetzgeber einen typischen Streitfall der Vergangenheit auf, ohne ihn jedoch abschließend zu regeln. Denn immer wieder stand die Frage im Raum, ob die Unterstützung im Schadensfall eine nebenvertragliche Maklerpflicht oder nicht schon eine unerlaubte Rechtsdienstleistung ist.

Ist denn damit die Abgrenzung zwischen erlaubt und nicht erlaubt eindeutig?

Nein. Obwohl jetzt die Unterstützung im Schadensfall als Maklerpflicht gesetzlich festgeschrieben ist, erfolgt damit keine konkrete Trennung zwischen erlaubt und nicht erlaubt. Makler sollten insofern auch in Zukunft im Zweifel ihre Kunden eher auf einen spezialisierten Anwalt verweisen, unter anderem um

  1. ein Abmahnrisiko zu vermeiden;
  2. sich nicht dem Risiko auszusetzen, den eigenen Kunden fehlerhafte Hilfestellung zu geben
  3. und hierfür gegebenenfalls auch keinen Schutz durch die eigene Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung zu haben;
  4. und Zeit für die eigentliche Tätigkeit frei zu halten.

“Keine konkrete Trennung zwischen erlaubt und nicht erlaubt.”

Ein weiterer wesentlicher Punkt: Der Versicherer wird nach § 1a Versicherungsvertragsgesetz (VVG) verpflichtet, bei seiner Vertriebstätigkeit gegenüber Versicherungsnehmern stets ehrlich, redlich und professionell in deren bestmöglichem Interesse zu handeln. Diese Pflicht gilt gemäß § 59 Abs. 1 S. 2 VVG für Versicherungsvermittler entsprechend. Wie das im Beratungs- und Vermittlungsalltag umzusetzen ist, wird noch über Änderungen der Versicherungsvermittler-Verordnung und delegierte Rechtsakte der EU-Kommission konkretisiert.

Welche Punkte, die die Diskussion angeheizt haben, haben sich inzwischen erledigt?

Norman Wirth: Es waren vor allem zwei Punkte zu kritisieren, die im ursprünglichen Entwurf des IDD-Umsetzungsgesetzes vorgesehen waren. Einerseits das Provisionsgebot im Privatkundenbereich. Dieses vorgesehene Gebot beziehungsweise dieses Verbot von alternativen Vergütungsmodellen war sicherlich verfassungswidrig, weil es einen massiven und nicht gerechtfertigten Eingriff in die Gewerbefreiheit der Versicherungsmakler darstellt.

“Dieses Verbot von alternativen Vergütungsmodellen war sicherlich verfassungswidrig.”

Hierzu wurde durch den Bundesverband Finanzdienstleistung AfW ein Rechtsgutachten bei Professor Schwintowski von der Humboldt Universität Berlin in Auftrag gegeben, das diese Auffassung nachdrücklich bestätigte. Makler sollten auch weiterhin die Möglichkeit haben, sich für Servicedienstleistungen oder auch die Vermittlung von Nettopolicen oder Beratungsleistungen, die letztlich nicht zum Versicherungsabschluss führen, vom Kunden vergüten zu lassen.

Der andere im Vorfeld massiv kritisierte Punkt war die vorgesehene sogenannte Doppelbetreuungspflicht. Diese hätte dazu geführt, dass den Versicherern die gesetzliche Pflicht auferlegt worden wäre, auch Kunden mit bestehender Maklervollmacht zu betreuen. Oder aber die Versicherungsmakler zu beaufsichtigen. Auch dieser zweite Hauptkritikpunkt der Maklervertreter konnte verhindert werden.

Die ursprünglich geplante und deutlich übertriebene Aufwertung der wenigen Versicherungsberater ist ebenfalls nicht Realität geworden.

Lesen Sie hier den zweiten Teil des Interviews.

Zur Person:

Norman Wirth ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Versicherungsrecht sowie Vorstand des AfW – Bundesverbands Finanzdienstleistung e.V. Außerdem war er unter anderem  Sachverständiger im  Deutschen Bundestag zum Honoraranlageberatungsgesetz, zum Lebensversicherungsreformgesetz (LVRG) und zum IDD-Umsetzungsgesetz.

Titelbild: © Kanzlei Wirth

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Autor

NewFinance Redaktion
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