Bastian Kunkel: „Digitale Nomaden sind eine herausfordernde Zielgruppe“

Die zunehmende Digitalisierung kreiert neue Möglichkeiten für Arbeitnehmer. Insbesondere die Bindung an einen einzigen Arbeitsort wird weniger. Egal ob Home Office oder Arbeiten im ICE. Manche Arbeitnehmer „treiben das Ganze auf die Spitze“. Sie sind digitale Nomaden.

Aber was bedeutet das überhaupt? Welche Entwicklung steckt dahinter? Und handelt es sich bei dieser Gruppe um eine wachsende Klientel? Darüber haben wir mit Versicherungsmakler Bastian Kunkel (Versicherungen mit Kopf) gesprochen.

umdenken.co: Servus Basti! Digitale Nomaden, das klingt ja erstmal ziemlich vage. Welche Berufsgruppen verbergen sich dahinter?

Bastian Kunkel: Sehr gute Frage. Das ist aus meiner Sicht insgesamt ein ziemlich breiter Begriff. Grob zusammengefasst kann man sagen: Alle Leute, die nur einen Laptop und einen Internetzugang brauchen, und von überall aus arbeiten können. In der Regel sind die Leute auch selbstständig, beziehungsweise Freelancer. Limitierungen gibt es dabei aber keine. Sprich es kann der Web-Designer sein, der von Phuket aus Websites bastelt. Oder der Entwickler, der von Bali aus coded. Oder der Versicherungsmakler, der…

umdenken.co: …Auf Mallorca sitzt?

Bastian Kunkel: Genau! Der, wie ich, auf Mallorca sitzt. Wobei ich mich nicht zu hundert Prozent als digitalen Nomaden bezeichnen würde.

umdenken.co: Wieso würdest Du dich selbst nicht in diese Kategorie einordnen? Du wechselst ja immerhin auch gelegentlich Deinen Wohnort.

Bastian Kunkel: Also scherzhaft bezeichne ich mich manchmal so. Weil ich theoretisch auch von überall aus arbeiten kann. Ob ich jetzt auf Mallorca bin, wie es gerade der Fall ist, oder aber in Deutschland. Aber auch, wenn ich in diesem Jahr ein paar Wochen in den USA sein werde – das Herumreisen ist nicht mein Plan. Das ist nicht mein Lifestyle. Und das ist ja bei den digitalen Nomaden der Fall. Deswegen würde vermutlich auch ein richtiger digitaler Nomade sagen, dass ich nicht dazu gehöre.

umdenken.co: Wie sieht die Gruppe der digitalen Nomaden aus soziodemografischer Perspektive aus?

Bastian Kunkel: Tendenziell sind es jüngere Menschen, also Generation Y und Z. Was nicht zuletzt daran liegt, dass diese Altersgruppen digitalisiert aufgewachsen sind. Die schlagen natürlich vergleichsweise auch häufiger Berufswege ein, die stark digital sind. Bildungstechnisch ist die Zielgruppe querbeet aufgestellt. Es ist keine rein akademische Gruppe, aber es gibt definitiv einige digitale Nomaden mit Uni-Abschluss.

umdenken.co: Ist die Absicherungssituation der digitalen Nomaden eine besondere?

Basti Kunkel: Würde ich absolut sagen. Auch, wenn die Zielgruppe nicht meine Hauptzielgruppe ist, habe ich jetzt einige Erfahrungen im Umgang mit digitalen Nomaden gesammelt. Was natürlich auch an meinem Geschäftsmodell und dem starken Fokus auf online Beratung liegt. Schließlich können die Leute nicht mal eben ins Versicherungsbüro um die Ecke gehen, wenn sie durch die Weltgeschichte tingeln. Aus meiner Sicht gibt es ein paar Hürden bei der Zielgruppe, die ein Vermittler kennen muss.

umdenken.co: Die da wären?

Bastian Kunkel: Du hast es vorhin schon angesprochen. Das Thema Lebensstil der digitalen Nomaden. Den muss man einfach auf dem Schirm haben. Ich berate keinen 35-jährigen Angestellten eines großen Konzerns, der sein regelmäßiges Einkommen hat. Für den könnte ich eine private Rentenversicherung abschließen mit einem Monatsbeitrag von 100 Euro und dann läuft das Ding durch. Hypothetisch gesprochen. Der hat ein ziemlich unaufgeregtes, gesettletes Leben. Und der digitale Nomade halt gar nicht. Auch vom Einkommen her. Das schwankt bei den meisten total, was ein Vermittler wissen muss.

umdenken.co: Welche Auswirkungen hat das denn?

Bastian Kunkel: Wenn du ein Produkt platzierst, vielleicht etwas für die Altersvorsorge, musst du das im Hinterkopf haben. Was beispielsweise passieren kann: Ein Kunde kann seinen Beitrag häufiger nicht mehr zahlen. Vielleicht läuft’s geschäftlich gerade nicht so. Oder noch nicht. Oder die Realität im Ausland sieht eben doch nicht so rosig aus, wie es manche Instagram-Profile von digitalen Nomaden vorgaukeln. Da muss man etwas aufpassen und sich als Vermittler selbst schützen. Vor allem musst du natürlich die richtigen Fragen stellen. Wie solide ist das Business? Wie steht es um den Cashflow? Du willst ja schließlich nicht eine private Rentenversicherung platzieren, die dann drei Monate später wieder in Storno geht.

umdenken.co: Wie sieht es denn mit dem Bedarf aus? Haben digitale Nomaden da ein Gespür für?

Bastian Kunkel: So spannend ich die Zielgruppe finde, kann ich aus eigener Erfahrung sagen, dass das Thema „Versicherung“ keine allzu große Rolle für sie spielt. Da musst du viel erklären und überzeugen. Digitaler Nomade in deiner Hängematte in Thailand schön und gut. Aber ohne Haftpflichtversicherung ist halt kacke. Und ohne gescheite Krankenversicherung ist auch kacke. Und wenn du sagst, dass du nicht mehr als 100 Euro pro Monat für eine gute Krankenversicherung hast, dann musst du vielleicht deine Prioritäten nochmal überdenken.

„Der digitale Nomade lebt im Hier und Jetzt und kann wenig mit dem Begriff Altersrückstellung anfangen.“

Ein Problem ist natürlich auch, dass die Produkte nicht an digitale Nomaden angepasst sind. Beispiel Haftpflicht: Soweit ich weiß, darfst du maximal fünf Jahre am Stück im Ausland gewesen sein. Sonst leistet sie nicht mehr. Besonders problematisch ist das natürlich auch bei der Krankenversicherung. Die deutschen Tarife müssen sich dann oftmals auch im internationalen Vergleich durchsetzen. Und schneiden preislich natürlich deutlich schlechter ab als so mancher amerikanische Anbieter beispielsweise. Als Vermittler weiß ich auch wieso. Aber der digitale Nomade lebt im Hier und Jetzt und kann wenig mit dem Begriff Altersrückstellung anfangen.

umdenken.co: Was ist aus Deiner Sicht das größte Problem?

Basti Kunkel: Ein digitaler Nomade weiß nicht, was er in zwei Jahren macht. Oder ob er in drei Jahren noch herumreist, oder noch in zehn Jahren. Das heißt langfristige Planung ist sehr schwierig. Das fängt bei der PKV an. Wie lange möchte der Kunde versichert sein? Weiß er nicht. Und schon hast du ein Problem.

umdenken.co: Als Makler und Unternehmer muss ich ja auch ökonomisch denken. Bei den ganzen Hürden, die Du beschrieben hast: Lohnt sich das alles denn?

Bastian Kunkel: Wirtschaftlich kann ich es noch nicht abschließend sagen. Vielleicht kennt das auch der eine oder andere Kollege. Die Zielgruppe ist super spannend. Vor zwei Wochen hatte ich eine online Beratung mit einem Kunden in Kanada. Davor jemand in Hong Kong und auch in Thailand. Es ist schon cool, wenn du so quer durch die Welt berätst. Gleichzeitig schärft natürlich der Umgang mit einer komplizierten Zielgruppe auch die eigenen Fähigkeiten. Und zu guter Letzt bin ich mir sicher, dass diese Zielgruppe noch stark wachsen wird. Die Leute wollen keine klassische Corporate Career, sondern Flexibilität und viele auch raus aus Deutschland. Aus den verschiedensten Gründen. Das heißt also: Kollegen, die in den kommenden 20-30 Jahren am Markt erfolgreich sein wollen, sollten sich unbedingt mit der Zielgruppe beschäftigen.

umdenken.co: Wo finde ich diese Zielgruppe eigentlich? Die Gelben Seiten werden mir da ja eher nicht weiterhelfen oder?

Bastian Kunkel: Die digitalen Nomaden haben eine große Online-Community, in der sie sich austauschen. Facebook Gruppen, Foren, Blogs, das ganze Programm. Aber auch auf Veranstaltungen kann man die Zielgruppe kennenlernen. Beispielsweise auf der DNX in Berlin am 8. Juni. Dabei aber ganz wichtig: Bleibt locker, wenn Ihr mit der Zielgruppe durchstarten wollt. Nicht zu viel Versicherungsdeutsch. Die digitalen Nomaden wollen ein möglichst einfaches Leben führen. Die Frage nach einer deutschen Postanschrift etwa kannst du dir sparen. Wenn du in deren Welt nicht andocken kannst, macht die Zielgruppe für dich wenig Sinn.

Titelbild: ©Bastian Kunkel

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NewFinance Redaktion
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