In der Krise haben Akteure wie der US-Gesundheitsexperte Dr. Anthony Fauci zahllose Follower gewonnen. Der Trend geht weg von oberflächlichen Influencern hin zu solchen, die wirklich etwas zu sagen haben. Warum jetzt der ideale Zeitpunkt für Vermittler ist, sich hier optimal zu positionieren? Wir haben mit Prof. Andrea Kimpflinger, Leitung des Kompetenzzentrums Corporate Communications an der Hochschule Neu-Ulm und Professorin für Social Media, gesprochen.
Redaktion: Inwieweit hat die Corona-Krise die sozialen Medien verändert?
Frau Prof. Kimpflinger: Wir beobachten Veränderungen in zwei wesentliche Richtungen.
Im Zuge des Digitalisierungs-Booms durch Covid-19 nutzen viele User verstärkt Social Media, um mit anderen Menschen in Kontakt zu bleiben, für persönliches Entertainment, sich weiter zu bilden oder um sich fit zu halten. Ein positiver Aspekt gerade für Singles. Auf der anderen Seite sehe ich eine sehr besorgniserregende Entwicklung hinsichtlich Fake-News und post-faktischer Meinungsbildung. Viel zu viele User verfügen über eine geringe Medienkompetenz und vertrauen blind Aussagen und scheinbaren Wahrheiten. Wenn Nutzer journalistische Quellen durch Social Media ersetzen wird es gefährlich.
Redaktion: Ein Blick auf das Ranking der größten deutschen Influencer zeigt, dass vor allem Sportler, im besonderen Fußballer, und Influencer die sich mit Mode und Beauty beschäftigen zu den Top10 der bekanntesten Influencer gehören. Welche Inspirationen erhoffen sich Nutzer aus diesen Vorbildern?
Frau Prof. Kimpflinger: Schon immer begeisterten sich junge Menschen für Idole. Das gerade Sportler in ihrer Funktion als Influencer zu Gesichtern für Marken auch jenseits des Sports werden und auch andere Bereiche beeinflussen, ist naheliegend.
Redaktion: Inwieweit hat sich der klassische Influencer die vergangenen Jahre verändert und wohin geht der Trend?
Frau Prof. Kimpflinger: Zu den Trends von 2021 gehören sicherlich Micro Influencer, die weniger als 10.000 Follower haben. Es gibt Studien, die besagen, dass Influencer mit weniger Reichweite relativ betrachtet mehr Conversions (Klickraten und Käufanstöße) schaffen als die bekannten großen Influencer.
Auch werden sich Influencer mehr auf Nischen fokussieren, um dort authentischer mit ihren Followern zu interagieren.
Ein weiterer Trend ist sicherlich Performance. Zukünftige Entlohnungen von Influencern werden mehr auf erzielter Leistung basieren, also beispielsweise wirklich getätigte Abverkäufe oder durch den Influencer gesteigerte Umsatzzahlen.
Redaktion: Im Frühjahr dieses Jahres haben einige Hollywoodgrößen ihren Account verschiedenen Wissenschaftlern zur Verfügung gestellt. Darunter auch Julia Roberts, welche ihren Social-Media Account dem Virologen Anthony Fauci überlies. Was halten Sie von diesen Maßnahmen und welche Auswirkungen hat das auf die User?
Frau Prof. Kimpflinger: Ich finde das ist eine sehr begrüßenswerte Entwicklung, die der Wissenschaft Zugang zu Millionen Nutzern gibt. Ich kann die Auswirkungen nicht abschätzen, aber hoffe, dass so eine Sensibilisierung für valide Fakten entstehen kann.
Redaktion: Warum ist das Bedürfnis nach Influencern der anderen Art (wie Virologen, Wissenschaftler, etc.) gestiegen?
Frau Prof. Kimpflinger: Neben den Social Media Nutzern, die vieles unreflektiert glauben, gibt es natürlich eine steigende Anzahl an Menschen, die gerade jetzt in der Pandemie nach Experten-Meinungen suchen. Wir Menschen suchen ja alle irgendwo nach Sicherheit – heute können wir diese wenn überhaupt nur von der Wissenschaft erhalten.
Redaktion: Welchen Tipp haben Sie an Personen mit fachlichen Inhalten, wie auch Vermittler der Versicherungs- und Finanzbranche es sind, informative Inhalte interessant auf Instagram zu gestalten?
Frau Prof. Kimpflinger: Gerade in der Versicherungs- und Finanzbranche lassen sich fachliche Inhalte visuell ansprechend zum Beispiel in Infografiken darstellen.
Ich würde einen Mix aus Informationen und News, Wissen und Orientierungshilfe sowie Beziehung und Unterhaltung empfehlen.
Frau Prof. Andrea Kimpflinger ist Studiengangleiterin und Praxisbeauftragte der Hochschule Neu-Ulm im Studiengang Informationsmanagement und Unternehmenskommunikation und wissenschaftliche Leitung des Technologietransfer-Zentrums für Big Data Marketing sowie des Kompetenzzentrums Corporate Communications. Außerdem unterrichtet Sie Fächer wie Marketing, Kommunikationsdesign, Social Media und Corporate Communications.
Titelbild: © Prof. Andrea Kimpflinger