Guido Lehberg: „In fünf Jahren werden wir die ersten Leistungsfälle beobachten“

Die Digitalisierung ist ein zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite liefert sie effektivere Abläufe, direktere Kommunikationswege und globale Vernetzung. Auf der anderen Seite erhöht sie den Druck auf den Menschen.

Informationsflut, ständige Erreichbarkeit und dauernde Vergleiche mit anderen im Social Web. Hat das Auswirkungen auf die Berufsunfähigkeitsabsicherung? Wir haben mit dem BU-Profi Guido Lehberg darüber gesprochen.

umdenken.co: Herr Lehberg, haben sich Ihrer Erfahrung nach die BU-Auslöser „digitalisiert“?

Guido Lehberg: Dazu eine pauschale Aussage zu treffen ist nicht leicht. Aber nach diversen Gesprächen mit Risikoprüfern und Leistungsprüfungsabteilungen kristallisiert sich hier eine Tendenz heraus. Der Kern des Problems ist für mich die ständige Erreichbarkeit, die etwa durch Smartphones gewährleistet ist.

Wenn ich jetzt zehn Jahre zurückdenke und daran, wie die Menschen ihren Urlaub damals verbracht haben, erkenne ich deutliche Unterschiede. Das Handy war zwar mit dabei, verursachte aber etwa bei der Nutzung im Ausland enorme Kosten. Allein deswegen blieb es den Tag über im Hotelsafe.

umdenken.co: Und dagegen heute?

Guido Lehberg: Das Smartphone ist für viele ein ständiger Begleiter, auch im Urlaub. Auch für mich. Damit hat man die Zeitung, den Laptop und den Fotoapparat stets in der Hosentasche. Telefonate und E-Mails im Urlaub sind längst Normalität. Die Leute können nicht mehr abschalten. Die Trennlinie zwischen Freizeit und Arbeitszeit verschwimmt zunehmend. Die Abschaffung der Roaminggebühren im Ausland verschärft das zusätzlich. Das Ergebnis: Statt sich zu erholen, stehen die Menschen durchgängig unter Strom.

umdenken.co: Was bedeutet das aus gesundheitlicher Sicht?

Guido Lehberg: Wir wissen, dass Stress ohne Erholung den Körper und den Geist auslaugt. Burnout ist ja kein neues Phänomen mehr. Gleichzeitig steigt der Anteil psychisch bedingter BU-Fälle weiter. Eine Korrelation ist also in jedem Fall zu beobachten. Aber die konkreten Langzeitwirkungen können wir noch gar nicht abschätzen. Und das ist die große Gefahr an der Sache.

umdenken.co: Ist vermehrter Stress das einzige Problem, mit dem wir es hier zu tun haben?

Guido Lehberg: Leider nicht. Denn auch körperlich entfalten die digitalen Innovationen ihre Wirkung. Die verkrümmte Körperhaltung durch den täglichen Smartphonegebrauch kann zu Problemen mit der Nacken- und Rückenmuskulatur führen. Und auch Rückenleiden sind ein wichtiger BU-Auslöser.

Erst neulich habe ich gelesen, dass sich sogar die Daumen der Kinder, die täglich ihr Smartphone benutzen, durch den Gebrauch Fehlstellungen ausbilden. Aber auch hier ist noch nicht genau abzusehen, welche Konsequenzen das zukünftig nach sich zieht.

umdenken.co: Ist das Smartphone denn der einzige Risikofaktor?

Guido Lehberg: Nein. Auch die sozialen Medien und sonstige digitale Welten, in denen wir uns tagtäglich bewegen, bergen Gefahren. Die andauernde Suche nach Anerkennung etwa. Oder die Abkapselung von der Außenwelt und die damit verbundene soziale Verkümmerung. Mehrere Leistungsprüfer, mit denen ich im Gespräch bin, berichteten mir von auffälligen Entwicklungen im Bereich depressiver Erkrankungen.

umdenken.co: Welche Altersgruppe betrifft das insbesondere?

Guido Lehberg: Logischerweise trifft das vor allem die Generationen, die mit digitalen Medien aufgewachsen sind. Das bedeutet aber wie bereits angedeutet auch, dass wir noch keine belastbaren Zahlen haben, um das Ausmaß abzuschätzen. Ich wage aber die Prognose, dass wir in fünf Jahren die ersten Leistungsfälle beobachten werden. Was ich aber schon heute aus meiner Erfahrung sagen kann: F-Diagnosen werden zunehmend ein Problem bei der Antragsstellung für junge Menschen unter 18 Jahren. Was dramatisch ist. Denn so wird es deutlich schwieriger, einen BU-Schutz zu erhalten.

umdenken.co: Herr Lehberg, vielen Dank für das Gespräch!

Titelbild: ©Guido Lehberg

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NewFinance Redaktion
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