Bundestagsabgeordneter Dr. Lukas Köhler: Ist Umwelt- und Klimaschutz eine Frage der Moral?

Umweltschutz ist nach der Corona-Pandemie eines der dringlichsten Themen unserer Gesellschaft. Und damit auch für die Politik. Anlässlich des Weltumwelttages, der sich im Juni jährt, sprechen wir mit Dr. Lukas Köhler. In seiner Funktion als klimapolitischer Sprecher der FDP-Fraktion, Generalsekretär der Freien Demokraten in Bayern und Mitglied im Bundesvorstand, teilt er seine Sichtweise zu nachhaltiger Verantwortung, klimapolitischen Zielen und einer nachhaltigen Wirtschaft. Zudem spricht er an, auf welche Zielgruppe es in Sachen Nachhaltigkeit ankommt.

Redaktion: Herr Dr. Köhler, warum engagieren Sie sich politisch gerade für die Themen Umwelt und Nachhaltigkeit?

Dr. Lukas Köhler: Ich engagiere mich aus meiner liberalen Überzeugung heraus, nach der Freiheit und Verantwortung untrennbar sind. Wir Menschen können unsere Freiheiten nur dann ausleben, wenn wir verantwortungsvoll handeln – gegenüber nachfolgenden Generationen, aber auch gegenüber nicht-menschlichen Lebewesen, die von den Folgen unseres Handelns betroffen sind.

Redaktion: Am Wochenende jährte sich der Weltumwelttag. Womit verbinden Sie diesen?

Dr. Lukas Köhler: Mit einer der wichtigsten Botschaften unserer Zeit: Im Zeitalter des Anthropozän haben wir Menschen einen gewaltigen Einfluss auf die Natur. Der kann katastrophal sein, aber auch grandios! Wir brauchen uns also nicht für unsere Existenz schämen, sondern müssen positiv und konstruktiv daran arbeiten, dem Ökosystem Erde Gutes zu tun, ihm zu nutzen. Als Klimapolitiker beschäftige ich mich quasi 24/7 damit, und am Weltumwelttag sollen möglichst viele Menschen über unsere Verantwortung und unser Potential nachdenken und sprechen.

Redaktion: Inwiefern hat der Tag heute eine andere Bedeutung als bei der Ausrufung 1972?

Dr. Lukas Köhler: Wir stehen heute vor ganz anderen Problemen als vor 50 Jahren. Der Klimawandel hat sich damals zwar schon angedeutet, aber Luftverschmutzung, saurer Regen und Waldsterben sowie gekippte Gewässer waren drängender – wenn vielleicht auch nur scheinbar.

Doch die gute Lektion lautet: Wir Menschen können ökologische Probleme durch technische Fortschritte lösen.

Schwefelfilter, Katalysatoren, die Renaturierung von Gewässern wie dem Rhein, der massive Ausbau von Naturschutzgebieten … All das stimmt mich begründet zuversichtlich, dass wir auch den Klimawandel, die Ressourcenkrise und das Artensterben verhindern können, ohne andere Fortschritte wie den Kampf gegen Hunger und Armut zu gefährden – mit den richtigen Technologien!

Redaktion: Inwieweit ist der Schutz der Umwelt ein Hauptthema der Politik? Wie gehen Sie es an?

Dr. Lukas Köhler: Ökologie steht in Wechselwirkung mit vielen politischen Bereichen, daher gilt die Formel:

Ökologie ist nicht alles, doch ohne ein intaktes Ökosystem ist alles nichts.

In der Klimapolitik setze ich mich ganz stark dafür ein, dass CO2-Emissionen ein Limit gesetzt wird, das mit dem Pariser Abkommen kompatibel ist. Wer aus den restlichen Emissionen, die innerhalb dieses Limits noch möglich sind, Profit schlagen will, muss mit allen anderen darum konkurrieren, die das auch wollen. All das ist im Europäischen Emissionshandel längst Realität, der seine Klimaziele allesamt erreicht und so schnell und umfassend wie möglich ausgeweitet werden sollte – idealerweise mit dem Ziel eines globalen Emissionshandels. Im Parlamentarischen Beirat für nachhaltige Entwicklung beteilige ich mich außerdem daran, sämtliche Gesetzesvorhaben auf ihre Nachhaltigkeit zu überprüfen.

Redaktion: Hat die Corona-Pandemie das Thema Umwelt und Nachhaltigkeit in den Schatten gestellt, oder möglicherweise sogar in die Karten gespielt?

Dr. Lukas Köhler: Der Lockdown hat bewiesen, dass Minuswachstum maximal ein Tropfen auf den heißen Stein ist. Das weltweite Herunterfahren der Wirtschaft hat den Erdüberlastungstag um gerade mal drei Wochen nach hinten geschoben und die CO2-Emissionen eines einzigen Monats eingespart – das ist die traurige Bilanz des Verzichts, der zugleich zu einem dramatischen Anstieg von Hunger und Elend geführt hat.

Mit einem vollen Kühlschrank und einem festen Dach über dem Kopf ist die Forderung nach Verzicht leicht ausgesprochen, aber mit Blick auf die Welt ist das so realitätsfern wie arrogant.

Natürlich ist es sinnvoll, wenn wir alle darüber nachdenken, was wir wirklich brauchen. Aber wir dürfen uns nicht einbilden, auf dieses Weise die gigantischen ökologischen Herausforderungen unserer Zeit meistern zu können. Wir brauchen nicht weniger Konsum und Technologien, sondern andere Formen davon – gute!

Redaktion: Als wie wichtig sehen Sie es an, dass sich Unternehmen wie die Bayerische auch für nachhaltige Anlagemöglichkeiten einsetzten? Wo sehen Sie hier wirtschaftliches Potential?

Dr. Lukas Köhler: Hier kommt der recht junge Bereich der Sustainable Finance ins Spiel, also der nachhaltigen Finanzen. Das hat enormes Potential, weil die ökonomische Nachfrage parallel zum ökologischen Bewusstsein gestiegen ist. Deshalb ist es auch grundsätzlich sinnvoll, dass die EU transparente Kriterien zur Beurteilung von Nachhaltigkeitsaspekten schaffen will. Leider beschränkt sie sich dabei bislang auf den Klimaschutz, während eine echte Nachhaltigkeitsstrategie sehr viel mehr umfassen und beispielsweise auch soziale Fragen berücksichtigen muss. Beim Klimaschutz sollte außerdem der CO2-Preis im Mittelpunkt stehen. Denn der ist der beste Anreiz für klimafreundliche Investitionen.

Redaktion: Wen wollen Sie mit Ihrer nachhaltigen Agenda abholen? Wer muss noch überzeugt werden? Und welche Gruppe aus der Bevölkerung ist schon nachhaltig „on Board?“

Dr. Lukas Köhler: Ich will die Menschen vor allem davon überzeugen, dass wir mit Moralkeule und Askese nicht vorankommen, sondern nur mit dem Fokus auf Klimaschutz durch Innovation. Es müssen also vor allem noch jene Menschen überzeugt werden, die tatsächlich glauben, ernsthaften Klima- oder Umweltschutz zu betreiben, indem sie etwa Flugscham empfinden und verbreiten oder E-Mobilität als Allheilmittel predigen – das ist weitgehend Symbolpolitik.

An Bord sind jene, die verstanden haben, dass kleine Industrienationen wie Deutschland auf der großen Bühne der Welt die Harmonie zwischen Wohlstand und Klimaschutz aufführen müssen.

Statt über völlig wirkungslose Flugverbote zu schwadronieren, müssen wir mit unserem fossil-basierten Wohlstand und Know-how zur Defossilisierung der Weltwirtschaft beitragen. Nur so werden wir Nachahmer in Ländern wie China, Indien oder Brasilien finden, ohne die wir nicht den Hauch einer Chance haben, das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen.

Redaktion: Sie sind nicht nur Politiker, sondern auch Philosoph. Inwieweit ist Klimaschutz für Sie auch eine ethische Frage?

Dr. Lukas Köhler: Die Frage ist gut gestellt, den Umwelt- und Klimaschutz ist eben keine Frage der Moral, die Handlungen nach subjektiven Kriterien in entweder „gut“ oder „böse” einteilt. Alle politischen Entscheidungen sollten stattdessen auf ethischen Prinzipien beruhen, die auf einer objektiven Ebene fragen, ob und inwieweit Handlungen fair oder unfair sind; ob durch sie also die Rechte oder Interessen anderer verletzt oder eingeschränkt werden. Im Falle der Emission klimaschädlicher Gase und anderer Umweltschäden ist die Lage sehr eindeutig, denn sie verletzen das Recht extrem vieler Menschen auf ein Leben in einer intakten Umwelt, damit auf körperliche Unversehrtheit, auf Frieden, wirtschaftliche Entfaltung und vieles mehr. Und damit sind wir auch wieder beim Ausgangspunkt unseres Gesprächs: bei der Verantwortung.

Redaktion: Wie lässt sich hier die Schere zwischen Wirtschaft und Ethik schließen?

Dr. Lukas Köhler: Mit der sprachlichen Verknüpfung beider, also den Prinzipien der Wirtschaftsethik:

Unternehmen können alle Freiheiten genießen, solange sie ihrer Verantwortung gerecht werden.

Genau das müssen wir gesetzlich einfordern. Wer aus den endlichen Ressourcen dieses Planeten, also den „Dienstleistungen der Erde“ Profit schlagen will, muss dafür zur Kasse gebeten werden. Denn diese Kosten können Unternehmen nur solange an ihre Kunden weitergeben, bis ein umweltfreundliches Unternehmen sie vom Markt verdrängt: Ökologie durch Ökonomie. Auch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Klimaschutzgesetz ist dabei wegweisend: Dem Staat muss die Rolle des Schiedsrichters zukommen, der die Regeln des Umweltschutzes aufstellt, kontrolliert und ahndet. Aber das Spiel selbst wird von den Akteuren des Marktes gemacht. So kann sich die Allgemeinheit darauf verlassen, dass Politik Umweltschutz per Gesetz einfordert, während Unternehmen und Konsumenten innerhalb dieser Regeln alle Freiheiten genießen. So gehen Freiheit und Verantwortung Hand in Hand.

Titelbild: © James Zabel

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NewFinance Redaktion
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