Wenn ein Arbeitnehmer die Unternehmensregeln zu oft verletzt, kann der Arbeitgeber zu verschiedenen Strafen greifen. Eine davon ist die Abmahnung. Doch wann darf ein Arbeitgeber abmahnen und was gibt es zu beachten? Ein Rechtsanwalt weiß Rat.
128.000 Kündigungsfälle vor Gericht
Die Zahlen zuerst. Aktuell enden Auseinandersetzungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer mit zunehmender Häufigkeit vor Gericht. Zum Vergleich: Im Jahr 2018 fällten die Arbeitsgerichte knapp unter 125.000 Urteile zum Thema Kündigung, ein Jahr später waren es dem Statistischen Bundesamt zufolge 128.077 Verfahren. Doch wann darf ein Arbeitgeber zum Mittel Kündigung greifen und wann kann eine Abmahnung erfolgen? Hierzu haben wir beim Rechtsanwalt Leander van Velzen von der Kanzlei „Leander van Velzen – Rechtsanwaltskanzlei“ in Kassel nachgefragt.
Redaktion: Herr van Velzen, gibt es Schritte, die Arbeitgeber vor der Abmahnung gehen können oder gar müssen?
Leander van Velzen: Verstößt der Arbeitnehmer gegen seine Pflichten aus dem Arbeitsvertrag, so kann der Arbeitgeber hierauf facettenreich reagieren. So kann er unter anderem eine Rüge erteilen oder den Arbeitnehmer ermahnen. Hier ist zu beachten, dass diese Maßnahmen nicht rechtlich relevant sind und entsprechend keine Auswirkungen entfalten. Neben der Kündigung als ultima ratio bleibt ihm stets die Möglichkeit, den Arbeitnehmer abzumahnen. Dabei erfüllt die Abmahnung drei Zwecke: Warnfunktion, Hinweisfunktion und Ermahnfunktion.
Redaktion: Was sind rechtmäßige Abmahnungsgründe und welche kommen besonders häufig vor?
Leander van Velzen: Rechtmäßige Abmahngründe sind heutzutage Verstöße gegen arbeitsvertraglich geregelte Pflichten und Nebenpflichten. Dazu gehören unentschuldigtes Fehlen, Urlaubsantritt ohne Genehmigung, ungebührliches Verhalten gegenüber Kollegen oder auch der Verstoß gegen Sicherheitsvorschriften. Zudem sind Arbeitsverweigerung, Unpünktlichkeit sowie der Konsum von Alkohol und Drogen am Arbeitsplatz erfahrungsgemäß die häufigsten Ursachen.
“Eine korrekte Abmahnung muss das Fehlverhalten hinreichend dokumentieren.”
Redaktion: Wie sieht eine korrekte Abmahnung aus?
Leander van Velzen: Damit eine Abmahnung wirksam ist, muss der Arbeitgeber einige Dinge beachten. Eine Abmahnung muss nicht zwingend schriftlich erfolgen, sollte aber aus prozessualen Gründen niedergeschrieben sein, da der Arbeitgeber die Beweislast trägt. Weiterhin sollten Arbeitgeber Abmahnungen zeitnah aussprechen. Denn auch wenn Abmahnungen keine Verjährungsfristen vorsehen, so ist eine frühzeitige Verhaltensänderung vonseiten des zu abmahnenden Arbeitnehmers wünschenswert. Aus diesem Grund ist eine frühe Abmahnung durchaus im Sinne des Arbeitnehmers. Wichtig hierbei: Der Arbeitnehmer muss sodann explizit dazu aufgefordert werden, sein Verhalten in Zukunft zu ändern.
Eine korrekte Abmahnung muss das Fehlverhalten hinreichend dokumentieren und ist mit einer deutlichen Kündigungswarnung zu versehen. Zudem ist der Arbeitnehmer vor Erteilung der Abmahnung anzuhören, um eine sogenannte Verdachtskündigung zu vermeiden.
“Ein Arbeitnehmer kann stets gerichtlich gegen die Abmahnung vorgehen.”
Redaktion: Nehmen wir an, ein Arbeitnehmer wird abgemahnt. Wie kann er sich wehren?
Leander van Velzen: Abhängig von der Betriebsgröße kann der Arbeitnehmer Beschwerde beim Betriebs- beziehungsweise Personalrat einreichen. Hier ist es ihm möglich, einen Antrag auf Rücknahme der Abmahnung zu stellen und zu fordern, dass sie aus der Personalakte entfernt wird.
Zudem kann der Arbeitnehmer eine berichtigende Gegendarstellung verfassen, welche in die Personalakte aufgenommen werden muss. Zuletzt kann er stets gerichtlich gegen die Abmahnung vorgehen.
Redaktion: Gibt es klassische Irrtümer, die keine Abmahnung rechtfertigen?
Leander van Velzen: Das häufige Fernbleiben vom Arbeitsplatz aus krankheitsbedingten Gründen kann grundsätzlich nicht abgemahnt werden. Denn in diesem Fall hat der Arbeitnehmer die Nichterfüllung seiner Aufgaben nicht verschuldet, solange er eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung einreicht. Ferner kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auch nicht bei schlechter Leistung über einen längeren Zeitraum abmahnen, da ein Mitarbeiter nicht dafür, dass er weniger leistet, abgemahnt werden kann. Etwas anderes ergibt sich dann, wenn aus dem Verhalten klar erkennbar wird, dass eine Absicht vorliegt.
Titelbild: ©blende11.photo/stock.adobe.com, Beitragsbild: © Leander van Velzen
Über unseren Experten
Nach dem Studium der Rechtswissenschaften in Kassel und einem Referendariat am Amts- und Landgericht Kassel erhielt Leander van Velzen 2001 die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft. Seit 2010 führt er die Rechtsanwaltskanzlei Leander van Velzen in Kassel. Schwerpunkte der Kanzlei sind unter anderem Versicherungsrecht, Arbeitsrecht, Familienrecht, Arzthaftung und Mietrecht.